Hase im Kohlkopf

Premiere (AT 2023 | 1 min)

Star des Festivals ist ausnahmsweise keine Autorin, kein Autor, sondern ein Spielzeughase, den das französische Spielzeugunternehmen Roullet & Decamps als Automat entworfen hatte. Datiert ist das als Spieluhr konzipierte Objekt auf 1895. Ein mit Fell überzogener Hasenkörper sitzt in einem grünen Krautblätterkleid und tanzt nach der Musik von „Hänschen klein“. Zunächst guckt der Hase aus dem Krautkopf, bewegt seinen Kopf, stellt seine Ohren auf, während die Augen zu leuchten beginnen, das Mäulchen öffnet und schließt sich. Abrupt versteckt sich das Häschen wieder im Kohlkopf. 

Doch wie kam es dazu, dass gerade dieser Hase als Sujet für den Trailer fungieren konnte? Ende 2022 richtete Renate Ganser einen Abend für Traudl Bayer anlässlich ihres 100. Geburtstages in deren ehemaligen Wohnungsräumlichkeiten aus, um das Leben der „mental weitgereisten“ Frau entsprechend zu würdigen. Den äußerst elaborierten Festvortrag hielt die Autorin, Übersetzerin und Literaturwissenschaftlerin Theresia Prammer. Geladen waren eine Vielzahl an Gästen, deren Interessensgebiet im Kontext Konrad Bayer und der Wiener Gruppe, aber auch Dominik Steiger zu verorten ist. Traudl Bayers Eltern führten über viele Jahrzehnte das wohl bekannte Spielwarengeschäft Kober am Graben in der Wiener Innenstadt. Spielzeuge waren demnach in Traudl Bayers Leben allgegenwärtig und einige Exemplare sollten die Jahre überdauern. So auch dieser Spielzeugautomat, der Hase im Kohlkopf, der an besagtem Abend einen eindrucksvollen Auftritt durch Renate Ganser erfahren sollte. Die Idee war geboren! Sein grotesker Charme passte nur zu gut zur inhaltlichen Ausrichtung des Festivals SBW 2024. Doch es sollte noch nahezu ein Jahr dauern, bis der Hase eine filmreife und adrette Pose einnehmen konnte. Die Augen mussten an den richtigen Stellen kontinuierlich leuchten, die Mechanik durfte nicht ins Stocken geraten und das Musikwerk sollte sein Stottern überwunden haben. Deshalb unternahm der Hase einen Ausflug in das Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst, um geputzt, gekämmt und mit einem Ministaubsauger von allerlei Staub befreit zu werden, um in einer extra angefertigten Schachtel wieder in Traudl Bayers Fundus zurückzukehren. Ein Schlüssel fürs Musikwerk und eine neue Batterie wurden besorgt. Unter gutem Zuspruch und mit sonstigen kleinen Unterstützungsmitteln versehen trat der Hase schließlich seinen Drehtermin an. Unser herzlicher Dank gilt Renate Ganser für deren Bemühen und Einverständnis, den alten Hasenherrn für die Erstellung des Festivaltrailers zur Verfügung zu stellen. Für diesen magischen Auftritt durchlief der Hase wahrlich eine groteske Odyssee. 

Idee und Regie: Ulrike Tauss
Co-Regie: Renate Ganser
Kamera: Martin Putz

Herzlichen Dank

Roullet & Decamps

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